Berichte 2018

Streitraum Antisemitismus

Fachsymposium in Berlin am 13.-14.11.2018

Die "Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST)" gründete 2015 in Berlin ein "Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment", das die Bekämpfung von Antisemitismus, Rassismus und anderen Formen der Diskriminierung zum Ziel hat. Das Zentrum bietet bedarfsorientiert Fort- und Weiterbildung, Fachaustausch und Supervision an; es richtet sich an AkteurInnen und MultiplikatorInnen aus der Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Bildung, Politik und den Medien. Nicht zuletzt berät es einzelne Menschen und Institutionen nach antisemitischen und diskriminierenden Vorfällen.

Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung

"Bilden, Beraten. Empowern" - Slogan der Veranstalter
alle Bilder Copyright: Kompetenzentrum (ZWST)

Am 13. und 14.11.2018 veranstaltete das Zentrum ein Fachsymposium unter dem Titel: "Streitraum Antisemitismus: Entwicklungen, Debatten, Interventionen im internationalen Vergleich" im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. In seiner Ankündigung beschrieb das Zentrum mit klaren Worten die aktuelle Situation: "Antisemitismus in Deutschland und Europa ist kein neues Phänomen. Allerdings ist in den letzten Jahren eine Entwicklung zu beobachten, die sehr beunruhigend ist. Die bis dato weniger sichtbaren Formen des Antisemitismus werden zunehmend überlagert durch den offenkundigen Hass und die Bereitschaft zur verbalen und tätlichen Gewalt. Nicht nur gezielte Umfragen, sondern auch sich häufende Entgleisungen und Vorfälle – an Schulen, im Internet, bei Demonstrationen – zeugen von dieser Entwicklung. Antisemitische Ressentiments treten buchstäblich in allen gesellschaftlichen Gruppen in Erscheinung. Dabei gibt es einen bemerkenswerten Widerspruch zwischen der Wahrnehmung der nicht jüdischen Mehrheit, die Antisemitismus übersieht, und Jüdinnen und Juden, die Antisemitismus konstatieren und erleben."

Das Symposium fand großen Zuspruch von Fachleuten und Betroffenen; vom Möllner Projekt "Zugänge schaffen" nahmen Gaby Hannemann und Sieghard Bußenius an der Tagung teil. Hochkarätige Fachleute, WissenschaftlerInnen und PolitikerInnen referierten am ersten Tag über aktuelle Entwicklungen und Debatten. Am zweiten Tag konnten in sechs Workshops pädagogische Strategien und Konzepte vorgestellt und diskutiert werden. Welche Bedeutung dem Symposium zugemessen wurde, zeigte sich schon daran, dass es von Abraham Lehrer, dem Präsidenten der ZWST, und Petra Pau, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, eröffnet wurde.

Sieghard Bußenius vom Projekt ZUGÄNGE SCHAFFEN im Workshop 3 (Bildungs- und Beratungsprogramm für 
			pädagogische und soziale Fachkräfte)

Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung

Am ersten Tag gab der neu berufene Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, einen Überblick über seine Tätigkeit. Als Ziel hat er sich vorgenommen, "eine möglichst kohärente Gesamtstrategie gegen den Antisemitismus" zu entwickeln. Ein weiterer Bereich seiner Arbeit sei es, die Konzepte der Gedenkstätten zu hinterfragen und zu erneuern: "Wir müssen Formen des Erinnerns finden, die auch Jüngere und Menschen mit Migrationshintergrund ansprechen", forderte Klein in seinem Statement. Nach Felix Klein sprach sein französischer Kollege Frédéric Potier, Beauftragter der französischen Regierung gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Die Zahl der antisemitischen Angriffe sei in Frankreich in den ersten neun Monaten des Jahres 2018 um 70 Prozent gestiegen, wofür Potier drei Ursachen verantwortlich machte: Den radikalen Islamismus, das Erstarken von Rechtsextremen und die rasante Steigerung von Hasstiraden im Internet. Dies führte dazu, dass in den vergangenen fünf Jahren 27.000 Jüdinnen und Juden nach Israel ausgewandert sind. Seinem Kollegen in Berlin empfahl Potier: "Deutschland sollte nicht blind gegenüber radikalen Muslimen sein. Den Preis dafür haben wir hoch bezahlt. Zudem darf der Aufstieg der extremen Rechten nicht unterschätzt werden!" Auch in Polen ist der Antisemitismus überall präsent; er wird durch Äußerungen von Politikern, durch Aussagen in den Medien und im Internet ständig verstärkt. Dies erklärte Anna Chipczynska, die Vizepräsidentin der Jüdischen Gemeinde Warschau. Einen Regierungsbeauftragten für den Kampf gegen den Antisemitismus gäbe es in Polen nicht, beklagte sie, Juden würden im Kampf gegen den Antisemitismus und mit der Erinnerung an den Holocaust alleine gelassen. Schließlich sprach die Antisemitismusbeauftragte der Europäischen Kommission, Katharina von Schnurbein. Ihre Aufgabe ist es, die Kontakte zu den jüdischen Gemeinden in den Mitgliedsstaaten zu vertiefen und in der Kommission ein Bewusstsein für die Bedrohungen der jüdischen Menschen herzustellen. Hilfreich sei die Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), die im Juni 2017 vom Europäischen Parlament verabschiedet wurde. "Wenn wir Antisemitismus nicht erkennen, können wir ihn auch nicht bekämpfen", mit diesen eindringlichen Worten schloss sie ihr Statement und den internationalen Vergleich am ersten Tag des Symposiums.

Am zweiten Tag widmeten sich mehrere ReferentInnen den Themenbereichen "Antisemitismus im öffentlichen und medialen Konkurs" und "Pädagogische und institutionelle Interventionen". Sechs Kurzreferate - gehalten von PolitikerInnen, PädagogInnen und Kulturschaffenden aus Deutschland, Polen und Israel - beleuchteten aus unterschiedlichen Perspektiven die Erscheinungsformen des Antisemitismus und Strategien zu seiner Bekämpfung. Es ist nicht möglich, hier eine kurze Zusammenfassung aller Referate und der anschließenden Diskussionen wieder zu geben. Daher kann nur auf den angekündigten Tagungsband, der im Herbst 2019 erscheinen soll, sowie auf die anderen Publikationen des Kompetenzzentrums verwiesen werden (siehe unten).

Kompetenzentrum (ZWST)

Sieghard Bußenius vom Projekt ZUGÄNGE SCHAFFEN im Workshop 3 (Bildungs- und Beratungsprogramm für pädagogische und soziale Fachkräfte)

Saba Nur Cheema, Mitarbeiterin an der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt/Main, formulierte in ihrer Tagungsreflexion zum Abschluss einige provozierende Fragen und Gedanken: Sie erinnerte an den jüdischen Lyriker Max Czollek (Jahrgang 1987), der erklärt hatte, dass man Juden in Deutschland nur für drei Themen benötige: Antisemitismus, Shoah und Israel. Wenn Jüdinnen und Juden sich in dem vorgegebenen Rahmen an der öffentlichen Diskussion beteiligen, seien sie wohl gelitten; sie sollen den Nachkommen der Täter erklären, dass "jetzt wieder alles gut" sei. Saba Nur Cheema stellte erneut die Frage, welche Funktion der Antisemitismus hat und wem er tatsächlich nützt. Antisemitismus sei kein Vorurteil, dass durch Aufklärungsarbeit beseitigt werden könne, es sei ein Weltbild, in dem Juden geheime Verschwörungen zur Erhaltung ihrer Macht unterstellt werden. Der Jude würde in der antisemitischen Wahrnehmung zu einem "Weltfeind" erklärt und nicht als "normale" Nation oder Religion verstanden. Wer Antisemitismus nur als gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit einordnet, verkennt die Komplexität und Irrationalität der Judenfeindschaft. In Deutschland würde der Antisemitismus jetzt wieder aufleben "in einer Zeit, in der Nationalismus und völkische Bezüge wieder offen hergestellt werden". Es reiche daher nicht mehr aus, nur über eine wachsende Zustimmung zu antisemitischen Aussagen zu klagen und eine bessere Bildungsarbeit zu fordern. "Ein radikales Umdenken in Forschung und Bildung, ein radikales Umhandeln ist notwendig, die Konzepte und Erkenntnisse sind da". Mit diesen aufrüttelnden Worten schloss Saba Nur Cheema ihre Tagungsreflexion und beendete das Symposium.

Das Kompetenzzentrum "Prävention und Empowerment" (ZWST) hält eine Reihe von eigenen Büchern und Broschüren bereit, z.B.
- Gefühlserbschaften im Umbruch. Perspektiven, Kontroversen, Gegenwartsfragen (2016)
- Vom Sprechen und Schweigen über Antisemitismus (2017)
- Antisemitismus an der Schule. Ein beständiges Problem? (2018)

Die Publikationen können bezogen werden über die Adresse:
Schönhauser Allee 12,m 10119 Berlin,
Tel. 030/51303988, Mail: info@zwst-kompetenzzentrum.de

 


Antisemitismus und Verschwörungsideologien

Vortrag von Jan Rathje (Amadeu Antonio Stiftung)
Mittwoch, 06.02.2019, 19:00 Uhr
Ratssaal des Ratzeburger Rathauses
Eintritt frei

Antisemitismus und Verschwörungsideologien

Verschwörungserzählungen begleiten auch die aktuellen gesellschaftspolitischen Krisen-entwicklungen. Den Begriffen „Lügenpresse“ und „Volksverräter“ begegnet man als Pauschalvorwürfen auf Demonstrationen der aktuellen rechtsextremen Bewegungen, in ihren „alternativen“ Medien und den Sozialen Netzwerken. Die Anhänger*innen von Verschwörungsideologien und –mythen machen auf diese Weise deutlich, dass es sich bei den zugrundeliegenden Erzählungen eben nicht ausschließlich um Unterhaltung handelt, sondern ihnen der Wunsch nach der “Vernichtung von Widersprüchen” innewohnt. Dabei besteht eine enge Wesensverwandtschaft zum Antisemitismus.

Jan Rathje

Jan Rathje ist Politikwissenschaftler. Er studierte in Potsdam und Greifswald mit den Schwerpunkten Rechtsextremismus und Politische Theorie. Von 2013 bis 2014 war er in der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus tätig. In dieser Funktion leitete er Workshops für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie Jugendliche im Bereich Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Für die Amadeu Antonio Stiftung verfasste er 2014 die Broschüre „Wir sind wieder da". Die "Reichsbürger": Überzeugungen, Gefahren und Handlungsstrategien“. Seit 2015 leitet er das Projekt No World Order. Handeln gegen Verschwörungsideologien zur Auseinandersetzung mit Antisemitismus und Verschwörungsideologien.

 


Besuch der Schülerinnen des LIKRAT-Programms am 23.10.2018

Wie sieht Judentum und Deutschland heute eigentlich aus und wie wird es gelebt?

Besuch der Schülerinnen des LIKRAT-Programms am 23.10.2018

Diese Fragen und viele weitere haben Eden und Michelle, zwei Schülerinnen der Joseph-Carlebach-Schule in Hamburg, bei einer Begegnung im Rahmen des Programms “LIKRAT – Jugend und Dialog” an der Stormarnschule in Ahrensburg am 23.10.2018 beantwortet. Sie haben in vier Unterrichtsstunden in zwei Klassen des 10. Jahrgangs berichtet, wie sie ihr persönliches Judentum in Deutschland leben und wie vielfältig das Judentum heute in Deutschland ist.

Für die Schülerinnen und Schüler der Stormarnschule war diese Begegnung sehr bereichernd, da die meisten Schülerinnen und Schüler, nach eigener Aussage, noch nie mit einer Jüdin oder einem Juden gesprochen haben. Das Gespräch verlief thematisch sehr vielfältig, was vor allem daran lag, dass die beiden jüdischen Schülerinnen allen Fragen der StormarnschülerInnen sehr offen gegenüber eingestellt waren. So haben sich Unsicherheiten und Berührungsängste schnell abgebaut und es entstand ein respektvolles und angeregtes Gespräch auf Augenhöhe über das religiöse Judentum, Feiertage, das Judentum im Alltag, Gebote und Verbote, Vorstellungen der Eltern, Zukunftswünsche, Ängste, Antisemitismus in Hamburg und Deutschland und die Vielfältigkeit des Judentums in Israel (Religion, Kultur und Nation). Es wurden deutliche Unterschiede, aber vor allem viele Gemeinsamkeiten festgestellt.

Alle Schülerinnen und Schüler der Stormarnschule waren sich im Anschluss einig, dass diese natürliche Art der Begegnung ihnen das Judentum verständlicher gemacht und nähergebracht habe und auf jeden Fall in allen Klassen durchgeführt werden solle.

Erfahrungen:

“Es war toll, dass die beiden Mädchen sehr offen alle unsere Fragen beantwortet haben.” (Lucie, 15 Jahre)

“Ich war überrascht, dass es für Eden und Michelle keine bewusste Entscheidung für das Judentum gab, sondern die Religionszugehörigkeit klar war, denn sie wurden hineingeboren.” (Bjarne, 16 Jahre)

“Ich fand sehr gut, dass die beiden mit den Klischees aufgeräumt haben, dass man Juden auf der Straße nicht erkennen kann.” (Johann, 15 Jahre)

“Besonders spannend war, dass die beiden zwei unterschiedliche Perspektiven auf das Judentum geboten haben. Eden befolgt die Gebote strenger und Michelle geht eher freier damit um.” (Felix, 16 Jahre)

“Die Begegnung war eine tolle Vorbereitung auf das Unterrichtsthema Antisemitismus und Holocaust. Es ist schön zu sehen, dass es ein lebendiges Judentum in Deutschland gibt.“ (Lilly, 15 Jahre)

“Es war super, dass die Beiden in unserem Alter sind, dadurch war alles viel authentischer und persönlicher, als wenn Erwachsene oder Lehrer berichten.“ (Lina, 15 Jahre)

 


„Antisemitismus gehört nicht nur in den Geschichtsunterricht“

Konzeptwerkstatt „ZUGÄNGE SCHAFFEN“ des Vereins Miteinander leben e.V.
bietet erweiterte Lehrmodule zu den Gegenwartsphänomenen des Antisemitismus

Das Bundesmodellprojekt „ZUGÄNGE SCHAFFEN“ – Konzeptwerkstatt „Antisemitismus“ des Vereins Miteinander leben e.V. hat eine wichtige Zwischenetappe in seiner Arbeit erreicht, zeitgemäße pädagogische Konzepte und Lehrmedien zur Bearbeitung des Themenkomplexes „Antisemitismus“ “ in historischer sowie aktueller Perspektive zusammen mit Experten aus der Region sowie überregionalen Institutionen für den schulischen Einsatz zu erschließen, zu entwickeln und auszutesten. Seit 2016 arbeiten das Projekt- und Expertenteam um Projektleiterin Gabriele Hannemann daran, das bereits bestehende Unterrichtsangebot „Leben mit dem gelben Stern“ mit seinem Schwerpunkt der „Holocaust-Education“ um Themen zu aktuellen Formen des Antisemitismus zu erweitern. Dies ist aus Sicht von Gabriele Hannemann, selbst als Lehrerin im Schuldienst tätig und über ihre Vereinstätigkeit bei Yad Ruth e.V. seit vielen Jahren mit dem Thema „Antisemitismus“ befasst, dringend notwendig: „Antisemitismus ist nicht nur etwas Historisches, das nach den Verbrechen der Shoa aus Deutschland endgültig verschwunden ist. Im Gegenteil zeigt sich Antisemitismus heute wieder verstärkt in unterschiedlichen Formen, sowohl in der Mehrheitsgesellschaft als auch in migrantischen Milieus. Entsprechend müssen wir darüber in den Schulen sprechen und nicht bei der Vermittlung des Holocaust, der vielfach vorbildlich etabliert ist im Unterricht, stehen bleiben.“ Es sind Themen wie der Nahost-Konflikt und die Rolle Israels, die schnell antisemitische Haltungen schüren, aber auch die in den neuen Medien um sich greifenden Verschwörungstheorien, die vielfach auf antisemitischen Haltungen fußen oder solche Erklärungsmuster heranziehen. Und auch Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft ist wieder deutlich spürbar, wenn beispielsweise die historische Verantwortung Deutschlands für den Holocaust als „Schuld-Kult“ relativiert und ein Ende des Gedenkens eingefordert wird.

Zu all diesem Themenkomplexen hat Gabriele Hannemann erweiterte Lehrmodule entwickelt, die das erfolgreiche, seit 2002 etablierte Unterrichtsangebot zum Thema „Antisemitismus“ zukünftig immer um die Gegenwartsperspektive ergänzen und je nach Interessenslage der Schüler*innen zum Einsatz kommen sollen. Die Entwicklung solcher schulischen Lehrmodule zeigte sich als Neuland und war nur mit Hilfe von Experten aus dem gesamten Bundesgebiet möglich. Institutionen wie das Anne Frank Zentrum Berlin, die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KiGA) oder die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem wirkten daran mit und brachten eigene Lehr- und Unterrichtserfahrungen ein. Ausgewiesene Fachleute, insbesondere auch aus der jüdischen Gemeinde, gaben ebenfalls wichtige Erfahrungsimpulse in die Konzeptwerkstatt „ZUGÄNGE SCHAFFEN“ . Entstanden sind Lehrmodule, die eine Erstbegegnung mit dem Judentum und der Shoa bereits in Klassenstufe 4 der Grundschule ermöglichen, die unterschiedlichen Narrative des Nahostkonfliktes kritisch beleuchten, Verschwörungstheorien behandeln oder an aktuellen Beispielen die Gegenwartsformen des Antisemitismus verdeutlichen. Ein neuer Flyer informiert jetzt Schulen über dieses einzigartige Unterrichtsprojekt in Schleswig-Holstein, das auch das Bildungsministerium des Landeszusammen mit dem Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen in Schleswig-Holstein (IQSH) seit vielen Jahren nach Kräften fördert und unterstützt.

Gabriele Hannemann und Mark Sauer präsentieren erweiterte Lehrmodule der Konzeptwerkstatt 
			ZUGÄNGE SCHAFFEN zu den Gegenwartsphänomenen des Antisemitismus

Gabriele Hannemann und Mark Sauer präsentieren erweiterte Lehrmodule der Konzeptwerkstatt „„ZUGÄNGE SCHAFFEN“ zu den Gegenwartsphänomenen des Antisemitismus

Das Ziel der Konzeptwerkstatt „Antisemitismus“, die vom Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gefördert wird, ist damit aus Sicht des Projektverantwortlichen allerdings noch nicht erreicht. So werden aktuell Begegnungsformate mit jüdischem Leben entwickelt, eine besonders wichtige Ergänzung, da Schüler*innen die persönliche Begegnung mit Juden zumeist völlig fehlt. „Antisemitische Haltungen sind für junge Menschen in ihren verschiedenen Facetten oft nur schwer als solche erkennbar, gerade auch, weil sie sich selten bis nie mit Juden darüber austauschen können, insbesondere in ihrer Altersgruppe. So kann Antisemitismus unbemerkt und unkritisch gedeihen.“ Ebenso wird in der Konzeptwerkstatt an weiteren Unterrichtsformaten gearbeitet, die es ermöglichen sollen, das Thema auch in anderen Unterrichtsfeldern zu behandeln, beispielsweise in der Demokratiepädagogik.

„Unsere Arbeit beschränkt sich dabei nicht nur auf die Unterrichtsgestaltung sondern umfasst auch auf die Lehrerfortbildung, die wir mit unseren Kooperationspartner seit 2016 deutlich intensivieren und noch weiter ausbauen wollen. Zudem schaffen mir mit einer eigenen Arbeitsgruppe öffentliche, wiederkehrende Begegnungsangebote mit jüdischem Leben in der Region, mit dem Ziel, dem Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft präventiv zu begegnen“, ergänzt Mark Sauer von Verein Miteinander leben e.V. die umfangreiche Aufgabenstellung der ehrenamtlich getragenen Konzeptwerkstatt „ZUGÄNGE SCHAFFEN“.

Den entsprechenden Flyer können Sie hier herunterladen:

flyer

 


„ZUGÄNGE SCHAFFEN“

Zeitzeuge Tswi Josef Herschel aus Israel bewegte SchülerInnen in Schleswig-Holstein

Durchweg Betroffen, berührt und nachdenklich reagierten die Schüler im Marion-Dönhoff-Gymnasium in Mölln, der Polizeischule Eutin, der Geschwister Prenski Schule in Lübeck, dem Carl-Jacob-Burghardt-Gymnasium in Lübeck und der Hotelfachschule für Nahrung und Gastronomie auf die Ausführungen von Zeitzeuge Tswi Josef Herschel aus Israel. Initiiert hatte Gabriele Hannemann, Vorsitzende vom Verein Yad Ruth und Leiterin des Projektes „ZUGÄNGE SCHAFFEN“ den beeindruckenden Besuch des Shoah-Überlebenden. Bereits zum dritten Mal besuchten Tswi Herschel und seine Tochter Natali Schulen in Schleswig-Holstein.

Gabriele Hannemann (li.), Projektleiterin von ZUGÄNGE SCHAFFEN und Vorsitzende des Vereins Yad Ruth, mit 
			Tswi Josef Herschel und Natali Herschel besuchten verschiedene Schulen in Schleswig-Holstein

Gabriele Hannemann (li.), Projektleiterin von ZUGÄNGE SCHAFFEN und Vorsitzende des Vereins Yad Ruth, mit Tswi Josef Herschel und Natali Herschel besuchten verschiedene Schulen in Schleswig-Holstein

Tswi Herschel stellte in den Klassen seine persönliche Geschichte dar, indem er die Stationen seines Lebens in Bezug zu einem gezeichneten Lebenskalender setzte, den ihm sein Vater Nico Herschel als Vision und Lebenswunsch hinterlassen hat. Herschel wurde am 29.12.1942 während des Zweiten Weltkrieges in den Niederlanden geboren. 1943 zogen seine Eltern mit ihm ins Amsterdamer Ghetto. Seine Eltern übergaben im Ghetto ihr Baby Tswi einer protestantischen Familie, die ihn bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges wie einen eigenen Sohn aufnahm. Tswis Eltern wurden kurze Zeit, nachdem sie ihr Kind weggaben, ins Vernichtungslager Sobibor deportiert und ermordet. Nach dem Krieg holte Tswis Großmutter ihn aus der Familie wieder heraus und übernahm die Erziehung. Nur durch einen Zufall erfuhr er, dass und wie seine leiblichen Eltern ums Leben gekommen waren.

Seit Jahren engagiert sich der Zeitzeuge, der jetzt in Israel lebt, für Aufklärungs- und Erziehungsarbeit zur Shoah und erzählt seine Geschichte in Israel und Europa. Er arbeitet als Zeitzeuge in Yad Vashem und eine Unterrichtseinheit über ihn ist jetzt publiziert worden. Im zweiten Teil der Veranstaltung sprach seine Tochter Natali Herschel von den Auswirkungen der Vergangenheit ihres Vaters auf ihr Leben und schilderte in eindrücklicher Weise, wie durch den Völkermord der Einfluss auf die zweite Generation immer noch da ist.

In jeder Schule waren durchschnittlich 150 SchülerInnen anwesend. Alle Klassen wurden auf den Zeitzeugenbericht vorbereitet. Erstmalig fand auch ein Einsatz an der Gewerbeschule für Nahrung und Gastronomie statt. Hier war die Zuhörerschaft ausschließlich Erwachsene Flüchtlinge mit Migrationshintergrund. Es gab mehrere Übersetzungen z.B. in Farsi und Arabisch. Die Reaktionen waren überwältigend. Noch nie hatten diese Personen über das Schicksal der Juden in ihrem Land etwas gehört, einige weinten sogar. In den arabischen Ländern wird die Shoah nicht unterrichtet und als Thema ausgeklammert. Nach dem Vortrag suchten viele das Gespräch mit Tswi Herschel und berichteten von ihrer Fluchtgeschichte. Antisemitismus war hier kein Thema, Geflüchtete aus verschiedenen Genrationen gaben sich die Hände.

Tswi Josef Herschel im Gespräch mit syrischen Schülern der Gewerbeschule für Nahrung und 
			Gastronomie in Lübeck

Tswi Josef Herschel im Gespräch mit syrischen Schülern der Gewerbeschule für Nahrung und Gastronomie in Lübeck

Seit dem Jahr 2002 wurden im Rahmen der Projektarbeit „OPEN MIND – Leben mit dem gelben Stern“ über 70 jüdische Zeitzeugen in Schulen eingesetzt, jetzt das erste Mal vor erwachsenen Schülern mit ausschließlichem Migrationshintergrund. Dies erwies sich als sehr bewegende und ermutigende Erfahrung. Aus Sicht der Projektleiterin Gabriele Hannemann können auch über einen solchen Austausch von Lebensgeschichten Brücken der gegenseitigen Verständigung entstehen, die zu einer Anerkennung der Vergangenheit und einem Dialog in der Gegenwart führen.

Auch Tswi Herschel äußerte sich sehr positiv zu dieser Erfahrung der Begegnungsarbeit und sprach konkret zum Thema „Antisemitismus“ in einer von moderierte Mark Sauer, vom Verein Miteinander Leben e.V. Radiosendung im Offenen Kanal.


„ZUGÄNGE SCHAFFEN“

Vortrag von Tswi Josef Herschel bei der Eutiner Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung und für die Bereitschaftspolizei Schleswig-Holstein

Tswi Herschel, Zeitzeuge des Holocaust, hielt am Dienstag, 20.03.2018, einen Vortrag bei der Eutiner Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung und für die Bereitschaftspolizei Schleswig-Holstein (PD AFB). In der Zeit von 14.00 – 15.30 Uhr fanden sich im Speisesaal 125 Auszubildende der PD AFB Eutin und Studierende der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung (FHVD) Altenholz, Fachbereich Polizei, ein. Der Einladung folgten weitere 65 Gäste aus Politik, Verbänden, Organisationen und Landespolizei. In seiner Begrüßung dankte Polizeidirektor Arne Dunka Frau Gabriele Hannemann. Diese hatte als Vorsitzende des Vereins „Yad Ruth e. V.“ und als Leiterin des Projektes „ZUGÄNGE SCHAFFEN“ des Vereins Miteinander leben e.V. den Kontakt zwischen Landespolizei und dem Referenten hergestellt und so die Möglichkeit der aktiven und aktuellen Auseinandersetzung der Polizei mit ihrer Rolle im Dritten Reich eingeräumt.

Ein Grußwort hielt Innenstaatssekretär Torsten Geerdts. Dieser appellierte an die Zuhörer: „Meinungsvielfalt und Pluralität sind Kernelemente unserer Demokratie. Selbst ein unvorstellbares Verbrechen wie der Holocaust begann mit der gezielten sprachlichen Entwertung von Menschen. Wer heute als Polizistin oder Polizist auf der Straße unterscheiden soll, wann eine Meinung eine Meinung ist, und wann es sich um wohlmöglich radikale Bestrebungen handelt, unsere Verfassung und unseren Staat zu bekämpfen, der braucht das nötige Rüstzeug. Gespräche mit Zeitzeugen stehen hier an der Polizeischule in Eutin deshalb zu Recht immer wieder auf dem Stundenplan.“

Vortrag von Tswi Josef Herschel bei der Eutiner Polizeidirektion für Aus- 
				und Fortbildung und für die Bereitschaftspolizei Schleswig-Holstein

v.l.: Natali und Tswi Herschel, Staatssekretär Torsten Geerdts

In einem bewegenden Vortrag berichtete Tswi Herschel aus seinem Leben. Als Kind einer jüdischen Familie wurde er im Jahr 1942 im niederländischen Zwolle geboren. Noch vor ihrer Deportation traf die Familie die schwierige Entscheidung, ihren Sohn zunächst aus dem Amsterdamer Juden-Ghetto schmuggeln zu lassen, um sein Überleben zu sichern. Als dieses gelang, wurde Tswi Herschel als 6. Kind bei der protestantischen Familie de Jongh aufgenommen, die ihn unter dem Namen „Henkie“ liebevoll aufzog.

Im Alter von acht Jahren erfuhr Tswi Herschel seinen Geburtsnamen und ging ab diesem Zeitpunkt seiner Herkunft nach. Orientierung bot der Lebenskalenders, den Tswi Herschels Vater kurz nach der Geburt des Sohnes gezeichnet hatte. Dieser war von großer Hoffnung und Zuversicht auf eine selbstbestimmte Zukunft der Familie geprägt. Tswi Herschel blieb es verwehrt, seine Eltern kennenlernen können. Sie wurden im Vernichtungslager Sobibor ermordet.

Vortrag von Tswi Josef Herschel bei der Eutiner Polizeidirektion für Aus- 
				und Fortbildung und für die Bereitschaftspolizei Schleswig-Holstein

v.l.: Behörderleiter Michael Wilksen, Gabriele Hannemann, Natali Herschel, Tswi Herschel, Staatssekretät Torsten Geerdts, und MdL Kathrin Wagner-Bockey

Quelle: Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung und für die Bereitschaftspolizei Schleswig-Holstein


„Jetzt komm mir bloß nicht
mit strukturellem Antisemitismus!“

Bericht zum Seminarbesuch bei der Akademie für politische Bildung der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Was dem nicht nur in Deutschland anwachsenden Judenhass zugrunde liegt und wie ihm zu begegnen sei, darüber muss wieder geredet und geschrieben werden. Zum heutigen pädagogischen Konsens im schulischen Alltag gehört, dass antisemitischen Stereotypen mit positiven Stereotypen nicht beizukommen ist. Und irrationalen Verschwörungstheorien begegnet man vergeblich mit sachlichen Argumenten. Was aber hilft, mit den aggressiven Attacken umzugehen? Die Dozentinnen Tanja Kinzel und Nora Zirkelbach präsentierten in ihrem mit Anschauungsmaterial reich gefüllten Seminar „Komm mir nicht mit strukturellem Antisemitismus“ einen sehr anschaulichen und praktischen Ansatz.

Rose

Dozentinnen Nora Zirkelbach und Tanja Kinzel

Eine frische und humorvolle Einstimmung in das Thema erfolgte durch einen Kurzfilm der Berliner Schauspielerin und Musikerin Sharon Brauner: „Leben und leben lassen“, den ich für Arbeitskreise und eventuell auch für den Schulunterricht empfehlen kann, auch wenn er viele Berlin-Bezüge enthält. Die darauf folgende Exkursion in die Geschichte des Judenhasses erzeugte ihre Wirkung besonders durch praktische Übungen. Wie, wann und warum entstanden antijüdische Vorurteile und Feindbilder, und hinter welchen Äußerungen oder Handlungen verstecken sie sich heute? Beginnend mit bewussten Fehlinterpretationen der jüdischen Schriften in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung über die Kreuzzüge und erste Kennzeichnungspflichten für Juden sowie die Entstehung von Ghettos, von sich verstärkendem Interesse an rassistischen Theorien, für die Charles Darwin ein naturwissenschaftliches Gerüst lieferte, bis zum völkischen Antisemitismus – dessen Wortschöpfer 1879 der judenfeindliche Journalist Wilhelm Marr war – und der Schrift von Heinrich von Treitschke („Die Juden sind unser Unglück“), wurde anhand von Zeittafeln und Postkarten mit antisemitischen Stereotypen in Erinnerung gerufen, dass der Antisemitismus bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert zu einem Massenphänomen geworden war. Bis zum offenen Rassismus und der Judenverfolgung bedurfte es somit keiner großen publizistischen Anstrengung mehr. Dass nach 1945 eine Verleugnungs- und Verschweigenskultur den weiterhin in Deutschland bestehenden Antisemitismus in seinen verdeckten Erscheinungsformen begünstigte und sich die Grenze des Sagbaren, dem Taten folgen, bis heute durch vielfältige Einflüsse verschoben hat, darf wohl als erwiesen gelten.

Rose

Anke Frank (3. vl.) „Jetzt komm mir bloß nicht mit strukturellem Antisemitismus!“ Seminar der Akademie für politische Bildung der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Es gelang den Dozentinnen durch ihre gut durchdachte und scheinbar einfache oder „altmodische“ Vermittlungstechnik, auch die überwiegend aus erwachsenen Akademikern bestehenden Gruppe zu manch einfachen und deshalb sehr direkten Aktionen zu motivieren, die so manches Aha-Erlebnis für subtilere Formen der Diskriminierung bescherten. So wurden z.B. Kopien von mit antisemitischen Stereotypen bebilderten Postkarten aus den Jahren 1900 – 1930 zur Wahl ausgelegt und anschließend in den Gruppen die Erscheinungsformen der diskriminierenden Darstellung einzeln diagnostiziert, bewertet und ausgeschnitten auf Papier geklebt. Die hierdurch sehr deutlich sichtbar werdenden Gegensätze zwischen einer gesellschaftlich akzeptierten Norm und der davon abweichenden zugeschriebenen Merkmale der inkriminierten Gruppe verdeutlichte sehr klar die Irrationalität dieser ausgrenzenden Feindschaft.

Rose

Kopien von mit antisemitischen Stereotypen bebilderten Postkarten
aus den Jahren 1900-1930

Wie sehr die historische Betrachtung den Blick für die gegenwärtigen Artikulationsformen des Antisemitismus erweitert hatte, wurde am zweiten Arbeitstag nicht nur in erhöhter Aufmerksamkeit am Detail deutlich. Hier ging es zunächst einmal um die gegenwärtig existierende Palette antisemitischer Manifestationen, von unbedachter und an Kenntnis fehlender flüchtiger Bemerkung bis zur Morddrohung. Wichtig dabei: Was ist das Motiv? Wo liegt der Grund der verbalen oder physischen aggressiven Aktion – und wo liegt mein Motiv , mich damit zu beschäftigen?! Letzteres, also Selbstexploration, erwies sich bei den abschließenden Übungen als notwendige Voraussetzung für die Standfestigkeit eines jeden, der sich mit diesem schwierigen Thema auseinandersetzt. In Rollenspielen füllte sich zum Abschluss des Seminars das vermittelte theoretische Gerüst mit einem Gefühl für die Praxis und zeigte deutlich, trotz allem Spaß beim Spiel, die Komplexität und Schwierigkeit der Alltagssituationen auf. Die Abwehrmethoden können deshalb nur individuell sein: Bin ich im entscheidenden Moment in der Lage, die aggressive Person zu sehen und sie durch Nachfrage „mitzunehmen“, einzubinden in ein Gespräch? Kann ich Ruhe bewahren und die Quelle antisemitischer Hetztiraden hinterfragen? Oder gehe ich mit einer ironischen Frage in die eher risikoreiche, Distanz schaffende Bewertung? Kann ich eine Konkretisierung einfordern, gibt es in der Situation die Möglichkeit, zwischen persönlicher und sachlicher Ebene zu unterscheiden? Gelingt es mir, in Gefahr mögliche Zeugen um Beistand zu bitten und in einer direkten und eher Erfolg versprechenden Weise, statt eines allgemeinen Hilfeappells eine einzelne Person präzise ins Auge zu nehmen und z.B. zu sagen: „Ja, Sie mit den weißen Turnschuhen, bitte … !“?
Beide Dozentinnen versprachen den Teilnehmern noch eine Dokumentation des Seminars in den nächsten Wochen. Eine Empfehlung erging bereits vorab: In ihrer Reihe „Gekonnt handeln“ vermittelt die Bundeszentrale für politische Bildung in einer Broschüre über Antisemitismus erprobte Methoden für die schulische und außerschulische Jugend- und Erwachsenenbildung. Erhältlich auch im Internet unter www.bpb.de/veranstaltungen/format/seminar-workshop/243038/gekonnt-handeln.

Zu Tanja Kinzel: Studium der Soziologie und Promotion über Fotografien aus dem Ghetto Lodz und die verschiedenen Perspektiven der Fotografierenden im Fach Geschichte; seit vielen Jahren Mitglied des AK Bildungsbausteine gegen Antisemitismus, Mitautorin des Buches „Woher kommt der Judenhass – was kann man dagegen tun?“ mit Material und Methoden zum Thema Antisemitismus; bei „Tacheles Reden e.V.“ zu Familiengeschichten gearbeitet, zwei Filmreihen und Seminare zum Thema; für das Jüdische Museum mit der Mobilen Ausstellung an Schulen, Fortbildung von Multiplikatorinnen, Argumentationstraining zum Nahostkonflikt. Derzeit Arbeit in der Gedenkstätte Ravensbrück an einem Forschungsprojekt. Freiberuflich Bildungsarbeit für alle anfragenden Träger, kann auch von uns bei Bedarf gebucht werden.

Zu Nora Zirkelbach: Studium der Politikwissenschaft und Geschichte in Freiburg, Wien und Berlin; arbeitet aktuell bei der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und ab Sommer als Guide bei der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten; grundsätzlich freiberuflich tätig als Trainerin für Kommunikation auf Seminaren; früher in Nürnberg bei der Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus und ehrenamtlich im Autonomen Kollektiv in Wien mit offenen Deutschkursen. Nora hat auf sehr humorvolle Weise unsere Arbeitsschemata illustriert.


Jüdisches Leben für junge Menschen
erfahrbar machen

Fachaustausch zeigt praktische Beispiele und
Angebote von und für Schulen

Mit einem schulischen Fachaustausch ist der Verein Miteinander leben e.V. in das dritte Arbeitsjahr seiner Konzeptwerkstatt „ZUGÄNGE SCHAFFEN“ gestartet, die gefördert durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ Lehr- und Unterrichtsmethoden zu aktuellen Formen von Antisemitismus entwickelt und gemeinsam mit Partnerschulen der Region austestet. Standen in vergangenen beiden Jahren die Themen „Frühe Prävention in der Grundschule“ und „Antisemitismus im Kontext von Migration“ im Fokus der Arbeit von Projektleiterin Gabriele Hannemann, richtet sich die Aufmerksamkeit des Modellprojektes, dem einzigen dieser Art in Schleswig-Holstein, in diesem Jahr auf die Förderung von schulischen Begegnungsprojekten mit jüdischem Leben, in Deutschland, wie auch in Israel.

Die fehlenden Bezüge zum jüdischem Leben der Gegenwart ist aus Sicht von Gabriele Hannemann für Schüler*innen und Lehrkräfte gleichermaßen ein großes Hindernis in der Bearbeitung von Antisemitismus in seinen aktuellen Ausprägungen. Konkrete Zugänge zu jüdischen Lebenswelten sowie Begegnungen und Austausch mit möglichst gleichaltrige Jüdinnen und Juden, würden vor allem jungen Menschen helfen, Perspektiven auf aktuelle antisemitische Tendenzen zu gewinnen, diese besser erkennen, nachvollziehen und einordnen zu können. Ein Fokus auf gemeinsame, aktuelle Lebenserfahrungen würde zudem dazu beitragen, das historisch fixierte Bild von Juden in einer Opferrolle aufzubrechen und wäre so eine wichtige Ergänzung zur Vermittlung des Holocausts im Unterricht.

Wie solche Bezüge entstehen und ausgestaltet werden können, welche Schulen sich in Schleswig-Holstein und Hamburg bereits aktiv zeigen und welche Partner von jüdischen Einrichtungen an einer solche Begegnungsarbeit Interesse haben, wurde in einem ersten landesweiten Fachaustausch an der Möllner Gemeinschaftsschule diskutiert. Dr. Ittai Josef Tamari, Leiter des Zentralarchivs zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland mit Sitz in Heidelberg, gab nach der Begrüßung der rund 20 Teilnehmer*innen des Fachaustausches durch Schulleiter Dr. Volker Schmidt, einen kurzen Überblick zur aktuellen Gegenwart von jüdischem Leben in Deutschland. Er beschrieb dabei die Schwierigkeiten, Juden im Alltag zu begegnen. Bei nur rund 130.000 Juden in Deutschland sei es für die allermeisten Menschen beinahe ausgeschlossen, alltägliches jüdisches Leben kennenzulernen und zu erleben. Es bedarf einer aktiven Hinwendung, auch über räumliche Distanzen hinweg, die größeren Metropolen.

Rose

Dr. Ittai Josef Tamari, Leiter des Zentralarchivs zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland führt in den Fachaustausch ein

Wie solche Hinwendung im schulischen Kontext aussehen kann, beschrieben nachfolgend Anke Frank vom Leibniz-Gymnasium in Bad Schwartau und Dr. Jan-Christian Schwarz von Alten Gymnasium Flensburg.

Seit vielen Jahren organisiert Anke Frank zusammen mit der Thomas-Mann-Schule und dem Katharineum in Lübeck Schülerprojektfahrten nach Israel für Schüler*innen in der Jahrgangsstufe 11. Für diese Fahrten müssen sich die Teilnehmer*innen bewerben und sich einem Auswahlverfahren unterziehen, was zu einer hohen Motivation führt, sich auf das besondere Abenteuer einzulassen. Die Erfolge solcher Begegnungen beschrieb Anke Frank in besonderer Weise. Die Jugendlichen würden auf hohem Niveau konstruktiv verwirrt zurückkehren, weil ganz viele Annahmen und Stereotypen zu Israel nicht mehr gelten würden. Das mediengeprägte Bild dieses Landes stellt sich in der direkten Begegnung für die Jugendlichen als unfassbar vielschichtig und vielfältig dar, ein Eindruck, der nachhaltig Bestand hat.

Rose

Anke Frank (3. vl.) vom Leibniz-Gymnasium in Bad Schwartau berichtet von ihren Erfahrungen mit Schülerprojektfahrten nach Israel für Schüler*innen in der Jahrgangsstufe 11

Eine ganz ähnliche Erfahrung macht Dr. Jan-Christian Schwarz vom Alten Gymnasium in Flensburg. Seine Schule pflegt seit vielen Jahren eine Schulpartnerschaft mit der Jigal Alon-High School in Rischon LeZion. In zweijährigen Abständen werden Besuche und Gegenbesuche organisiert, die junge Menschen zusammenführt und der Aufbau persönlicher Beziehungen ermöglicht. Diese Schulpatenschaft prägt den Schulalltag inzwischen auch darüber hinaus. Das Interesse an Begegnungen mit jüdischem Leben ist stetig gewachsen und wird auch mit der Gemeinde vor Ort gepflegt. Für die teilnehmenden Schüler*innen ist dieser Austausch eine ganz besondere Lebenserfahrung, die, so die Erfahrung von Dr. Jan-Christian Schwarz, sehr weitreichende Spuren hinterlässt und ebenso zu einem sehr differenzierten Israelbild führt. Allerdings führte Dr. Schwarz auch aus, das Schulpatenschaften durchaus politischen Entwicklungen unterliegen und zuweilen in schwieriges Fahrwasser geraten, wenn beispielsweise das Interesse auf offiziellen Ebenen in Israel an solcher Form der Begegnung zurückgeht oder die Finanzierungsmöglichkeiten unsicher sind.

Rose

Dr. Jan-Christian Schwarz vom Alten Gymnasium in Flensburg referiert zur Schulpartnerschaft mit der Jigal Alon-High School in Rischon LeZion

Dass Begegnungen mit jüdischem Leben an Schulen nicht nur über Austauschprogramme mit Israel möglich sind, zeigten nachfolgend zwei Beispiele aus Hamburg. Elisabeth Friedler, Jugenddezernentin der jüdischen Gemeinde in Hamburg und Leiterin des Jugendzentrum Chasak, stellte das Jugendbegegnungsprogramm „LIKRAT“, hebräisch für „auf einander zu“. In einem „Peer-to Peer“-Ansatz möchte jüdische Schülerinnen und Schülern einen unbefangenen Zugang rund um das Thema Judentum geben, um so stereotype Wahrnehmungen zu durchbrechen, antisemitischen Ressentiments entgegen zu wirken und ein gegenwartsbezogenes Judentum zu vermitteln. 8 Hamburger Schüler*innen des Jüdischen Bildungshauses an der Joseph-Carlebach-Schule, so Elisabeth Friedler, würden inzwischen an diesem Angebot des Zentralrats der Juden in Deutschland mitwirken, überwiegend an Hamburger Schulen. Allerdings sei eine Ausweitung auf Schleswig-Holstein durchaus denkbar.

Rose

Elisabeth Friedler, Jugenddezernentin der jüdischen Gemeinde in Hamburg und Leiterin des Jugendzentrum Chasak, stellte das Jugendbegegnungsprogramm „LIKRAT“ und berichtete zusammen mit Oliver Thron, Lehrer im Jüdischen Bildungshauses an der Joseph-Carlebach-Schule in Hamburg, über eine Begegnungsaktion von Schüler*innen im Rahmen der Gedenkveranstaltung am 09. November 2017

Zusammen mit Oliver Thron, Lehrer im Jüdischen Bildungshauses an der Joseph-Carlebach-Schule, berichtete Elisabeth Friedler nachfolgend über eine Begegnungsaktion im Rahmen der Gedenkveranstaltung am 09. November 2017. Schüler der Joseph-Carlebach-Schule hatten für diesen Tag eine Installation geschaffen, um zu zeigen, wie die Synagoge früher an diesem Ort ausgesehen hat. Dazu wurde unter dem Titel „Nur gemeinsam geht Erinnern-Begegnen-Respektieren“ Auch nicht-jüdische Leser können so einen humorvollen Ausflug in die jüdische Literatur und Kultur unternehmen eine App zu entwickeln, die auch die Geschichte anderer Synagogen in Hamburg umfasst. Dafür wurden sie mit dem Margot-Friedländer-Preis ausgezeichnet. Die Präsentation dieser App ist für den kommenden Juni geplant und richtet sich gerne auch an interessierte Schulen in der Region.

Begegnungsmöglichkeiten über das Format „Buch“ stellte abschließend Myriam Halberstam vor. Sie leitet den Ariella Verlag in Berlin und verlegt pädagogisch wertvolle jüdische Kinderliteratur, die sich vor allem mit jüdischen Traditionen und jüdischem Leben heute befassen. Das Spektrum reicht dabei vom Wimmelbuch über Israel, Bilderbücher zu jüdischen Feiertagen bis hin zu Jugendromanen, in denen junge jüdische Protagonisten spannende, hochaktuelle Gegenwartsgeschichten erleben. Die Shoa spielt dabei in ihrem Verlagsprogramm ganz bewusst eine untergeordnete Rolle. Lediglich das Buch „Marisha, das Mädchen aus dem Fass“ von Projektleiterin Gabriele Hannemann wurde bislang aufgenommen. Es ist der Blick auf lebendiges Judentum, den Myriam Halberstam vermitteln möchte und mit dem sie Lesungen in Schulen, Puppentheater sowie Workshops zu Torah und Judentum für Kinder und Erwachsene veranstaltet. So können auch nicht-jüdische Schüler*innen einen humorvollen Ausflug in die jüdische Literatur und Kultur unternehmen.

Rose

Myriam Halberstam, Leiterin des ARIELLA-Verlages in Berlin, stellte pädagogisch wertvolle jüdische Kinderliteratur, die sich vor allem mit jüdischen Traditionen und jüdischem Leben heute befassen

Gabriele Hannemann, Leiterin des Projektes „ZUGÄNGE SCHAFFEN“, stellte anschließend ihre Projektergebnisse zum Vorjahresthema „Frühe Prävention“ vor und plädierte für die Notwendigkeit, damit bereits in der 4. Klassenstufe der Grundschule zu beginnen. Ebenso präsentierte sie die Ausstellung „Jüdische Lebenswelten in Deutschland heute“ als Möglichkeit, zum Thema „Judentum“ im Unterricht arbeiten zu können. Sie sagte weiterhin zu, sich im Rahmen des aktuellen Jahresthemas um israelische Schulpatenschaften zu kümmern und berichtete von dem Wunsch der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem, zwei weitere Partnerschulen in Schleswig-Holstein zu finden.

Abschließend stellte sie Tswi Herschel und seine Tochter Natali aus Israel vor, die in dieser Woche als Zeitzeugen an Schulen in Schleswig-Holstein unterwegs waren.

Für Projektleiterin Gabriele Hannemann und Mark Sauer, Vorsitzender des Vereins Miteinander leben e.V. sind die Ergebnisse des ersten Fachaustausches zum Jahresthema „Begegnungen mit jüdischen Leben“ im Rahmen des Projektes ZUGÄNGE SCHAFFEN sehr positiv zu bewerten. „Unser Ziel war es vor allem, jene Personen aus Schulen oder mit Angeboten für Schulen an einen Tisch zu bekommen, die diese Begegnungsarbeit in der ein oder andere Weise durchführen, um uns zu vernetzen und ihre Beispiele auch an unseren Partnerschulen bekanntzumachen. Vielleicht können wir so in unserer Region Wege ebnen oder aufzeigen, um solche Begegnungsarbeit mit Israel oder vor Ort zu initiieren und gelingen zu lassen“, sagte Mark Sauer. Eine Intensivierung dieses Austauschs ist auf jeden Fall geplant.


"Antisemitismus... wo denn?"

Gespräch mit Tswi Josef Herschel und
Natali Herschel aus Israel

Donnerstag, 05. April 2018 16:00 Uhr - 17:00 Uhr
Dienstag, 10. April 2018 11:00 Uhr - 12:00 Uhr
im Offenen Kanal Lübeck ...
Livestream unter www.wirumvier.de oder 98,8 UKW

Antisemitismus ... wo denn? Heute? Das ist doch längst vergangen! So oder ähnlich klingen Erwiderungen, wenn wir im Verein Miteinander leben e.V. von unserem Projekt "ZUGÄNGE SCHAFFEN" berichten. Ein einzigartiges Modellprojekt in Schleswig-Holstein, das von Bundesprogramm "Demokratie leben!" mit Mitteln des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird, um in Schulen und in der Gesellschaft zu diesem schwierigen Thema zu sensibilsieren.

Tswi Josef Herschel und Natali Herschel aus Israel

Diese Erwiderung erscheint verständlich, gibt es doch nur wenig jüdisches Leben in Schleswig-Holstein. Nur rund 130.000 Jüdinnen und Juden leben in Deutschland. Da ist eher unwahrscheinlich, dass man ihnen im Alltagsleben begegnet, gar jüdischen Freunde hat. Damit fehlt allerdings auch jegliche Perspektive für Antisemitismus, von den man eigentlich nur aus Geschichtsbüchern im Schulunterricht erfährt, oder, wie jüngst in Frankreich, als schreckliche Nachricht wahrnimmt.

Wenn man allerdings einmal die Möglichkeit und die Zeit hat, mit Juden zu sprechen, merkt man schnell, dass in ihrem Leben ein steter Schatten mitschwingt. "Eine Gardine, die sich in den Augen deines Gegenübers schließt", so beschreibt Tswi Jodef Herschel eine typische Reaktion von Menschen, wenn sie realisieren, dass er jüdisch ist. Er hat Antisemitismus kennengelernt, als Kind, als Jugendlicher, als Student, als Erwachsener. Und er sieht ihn heute wieder auf seinen Reisen durch Europa. Aufs Neue und in zunehmender Deutlichkeit, gerade auch, weil er in Israel lebt und dieses Gefühl von sich schließenden Gardinen in den Augen von Menschen dort gar nicht kennt.

Es ist ein Gefühl, dass Tswi Josef Herschel nicht akzeptieren mag, vor allem nicht bei jungen Menschen, die doch offen und neugierig in die Welt schauen sollen. Und so sucht er zusammen mit seiner Tochter Natali immer wieder das Gespräch... über Juden in Israel, Juden in Deutschland, über die Vergangenheit und die Gegenwart... mit ausgestreckter Hand und klarem Blick, damit erst keine Gardinen in den Köpfen der Menschen gewebt werden.

Das ist zuweilen schwierig ... denn Antsemitismus, die Urform aller Diskriminierung, ist höchst wandelbar. Eine Projektionsfläche für nahezu jedes Vorurteil ... sich stetig anpassend, kleidend in zeitgemäßen Gewändern, doch immer mit den gleichen, uralten Zielen: Menschen als Juden abwerten zu können. Tswi Josef Herschel und Natali Herschel sprechen darüber mit Mark Sauer und Gabriele Hannemann vom Verein Miteinander leben e.V.. Eine neue Perspektive, für alle, die zuhören mögen.


Angela W. Röders bewegte als „Rose“ in der Maria-Magdalenen-Kirche in Mustin

Ein bewegender Theaterabend

Einen bewegenden Theaterabend mit einem beeindruckende Stück über eine jüdische Lebensgeschichte durften rund 50 Zuschauer*innen Anfang März trotz frostig kalter Temperaturen in der Maria-Magdalenen-Kirche in Mustin erleben. Angela W. Röders aus Hamburg gastierte auf Einladung eines Mustiner Freundeskreises und des Vereins Miteinander leben e.V. mit dem Stück „Rose“ von Martin Sherman und zog das Publikum in unwiderstehlicher Weise vom ersten Moment in den Bann ihres Monologes.

Rose

Angela W. Röders sitzt schon beim Eintreffen der Gäste als „Rose“ Schiv'a

Auf der improvisierten Bühne im Altarraum erschien Rose, eine ältere Jüdin, die auf einer Holzbank Schiv'a ist sitzt, die jüdische Totenwache, für ein palästinensisches Mädchen, das von ihrem radikalisierten Enkel in Israel getötet wurde. Sie entrollte binnen einer Stunde ihre Lebensgeschichte, die in der Ukraine beginnt, die Zeit der Shoa umfasst, die Ermordung eines eigenen Kindes und den Verlust des Ehemannes, und sich fortsetzt im Exodus nach Israel und einem neuen Leben in Amerika bis in die jüngste Gegenwart nach Israel, wo die Saat des Hasses erneut verführt und Menschen einander Leid zu fügen lässt. Rose predigt dabei nicht moralisch, sie stellt all die Ereignisse in den Zusammenhang ihres Lebens und erreicht gerade in dieser Perspektive eine Eindringlichkeit, die das Publikum in der Mustiner Kirche gefesselt und sehr still zurücklies. Und anschließend für reichlich Gesprächsstoff sorgte, auch vor dem Hintergrund der parallel gezeigten Ausstellung „Jüdische Lebenswelten in Deutschland heute“ im Vorraum der Kirche.

Rose

Anschließende Gespräche im Forum vor der
Ausstellung „Jüdische Lebenswelten in Deutschland heute“

Rose

Aus Sicht des Vereins Miteinander leben e.V. war der Theaterabend mit Angela W. Röders ein sehr gelungener Beitrag im Rahmen des Projektes „ZUGÄNGE SCHAFFEN“, das unter anderen nach Wegen sucht, Begegnungen mit jüdischen Leben im gesellschaftlichen Kontext zu fördern, mit Angeboten, die möglichst niederschwellig, einladend und nah bei den Menschen sind. All dieses wurde mit „Rose“ in Mustin erreicht und ist somit beispielgebend für die weitere Projektarbeit, die vom Bundesprogramm „Demokratie leben!“ des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird.


Fachaustausch – „Jüdisches Leben heute – Begegnungen im schulischen Kontext fördern“

21.03.2018, 14:00 – 18:30 Uhr
Gemeinschaftsschule Mölln, Auf dem Schulberg

Die fehlenden Bezüge zum jüdischem Leben der Gegenwart ist für Schüler*innen und Lehrkräfte gleichermaßen ein großes Hindernis in der Bearbeitung von Antisemitismusin seinen aktuellen Ausprägungen. Konkrete Zugänge zu jüdischen Lebenswelten sowie Begegnungen und Austausch mit möglichst gleichaltrige Jüdinnen und Juden, würden vor allem jungen Menschen helfen, Perspektiven auf aktuelle antisemitische Tendenzen zu gewinnen, diese besser erkennen, nachvollziehen und einordnen zu können. Ein Fokus auf gemeinsame, aktuelle Lebenserfahrungen würde zudem dazu beitragen, das historisch fixierte Bild von Juden in einer Opferrolle aufzubrechen und wäre so eine wichtige Ergänzung zur Vermittlung des Holocausts im Unterricht.

Eine Chance zu solch gegenwartsbezogenen Begegnungen mit jüdischem Leben liegt unter anderem in Schulpaten- bzw. partnerschaften, mit Schulen in Israel, aber auch mit jüdischen Schulen in der Region. Entsprechend möchte die Konzeptwerkstatt des Vereins Miteinander leben e.V. mit Schulen vor Ort in diesem Jahr die Möglichkeiten solcher Schulpaten- und -partnerschaften erörtern und gerne auch anbahnen. Dazu sollen zum einen jüdische Partnerschulen in Israel, aber auch in Deutschland gewonnen und mit Schulen vor Ort in Kontakt gebracht werden, unterstützt und beraten durch Schulen, die bereits Erfahrungen mit solchen Verbindungen haben.

Ein Auftakt hierzu soll dieser Fachaustausch sein, der im ersten Schritt Lehrkräfte vor Ort einlädt, sich über die konkreten Möglichkeiten von Paten- und Partnerschaften zu informieren und gemeinsam Wege zu der Realisierung aufzeigen möchte. Die vielfältigen Bezüge des Kooperationspartners Yad Ruth e.V. zu jüdischen Schulen in Israel, Deutschland und zu Yad Vashem, die mit den "ICHEIC Partnerschulen" ein eigenes Partnerkonzept verfolgen, sollen dabei zum Tragen kommen.

Ebenso sollen Möglichkeiten zu Fensterveranstaltungen in Schulen vorgestellt werden, die ebenfalls Begegnungen mit "Jüdisches Leben heute" ermöglichen. Dies können niederschwellige Angebote wie Schulkonzerte mit jüdischen Musiker*innen, Theaterspiele oder Exkursionen zu Stätten jüdischen Lebens sein.

Der Fachaustausch ist zunächst als Auftakt und als Plattform zum Kennenlernen geplant und soll im Jahresverlauf inhaltlich vertieft werden.

Der Fachaustausch wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ .

Programm:

14:00 Uhr Begrüßung / Einführung

14:10 Uhr Jüdisches Leben in Deutschland - Ein Blick in die Gegenwart
Dr. Ittai Joseph Tamari, Leiter des Zentralarchivs zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland

14:45 Uhr Begegnungen mit jüdischen Leben durch Schulpartnerschaften / Schulpatenschaften in Israel
Erfahrungsberichte (Beitrag 1)
Gabriele Hannemann (Projektleitung ZUGÄNGESCHAFFEN) - Vermittlung von Partnerschulen in Israel

15:00 Uhr Begegnungen mit jüdischen Leben durch Schulpartnerschaften / Schulprojekte mit Israel
Erfahrungsberichte (Beitrag 2)
Anke Frank (Leibniz-Gymnasium Bad Schwartau) - Schülerprojektfahrten des Leibniz-Gymnasium Bad Schwartau, der Thomas-Mann-Schule und des Katharineum in Lübeck

15:30 Uhr Begegnungen mit jüdischen Leben durch Schulpartnerschaften / Schulprojekte mit Israel
Erfahrungsberichte (Beitrag 2)
Jan-Christian Schwarz (Altes Gymnasium Flensburg), Schulpartnerschaft des Alten Gymnasium Flensburg mit der Jigal Alon-High School in Rischon LeZion

16:00 Uhr Pause

16:15 Uhr Begegnungen mit jüdischen Leben vor Ort (Schulpartnerschaften/ Schulpatenschaften, Projekte, Einzelveranstaltungen)
Oliver Thron, Jüdisches Bildungshaus an der Joseph-Carlebach-Schule Hamburg

16:45 Uhr Begegnungen mit jüdischen Leben vor Ort (Schulpartnerschaften/ Schulpatenschaften, Projekte, Einzelveranstaltungen)
Elisabeth Friedler, Jugendzentrum Chasak der Jüdischen Gemeinde in Hamburg (angefragt)

17:15 Uhr Begegnungen mit jüdischen Leben durch Schulpartnerschaften/ Schulpatenschaften vor Ort
Miriam Halberstamm (Ariella-Verlag) – Jüdisches Leben heute im Unterricht thematisieren – Praxisbeispiele

17:45 Uhr Begegnungen mit jüdischen Leben durch Schulpartnerschaften/ Schulpatenschaften vor Ort
Gabriele Hannemann (Projektleitung ZUGÄNGESCHAFFEN) – Angebote des Bundesmodellprojektes

18:00 Uhr Fragen, Diskussion und Austausch

18:30 Uhr Verabschiedung


„ROSE“ - Ein besonderes Theaterstück an einem besonderem Ort

Angela W. Röders gastiert in der
Maria-Magdalenen-Kirche in Mustin

„ZUGÄNGE SCHAFFEN“, zu jüdischem Leben, jüdischen Themen ist Auftrag und Titel eines Modellprojektes, welches der Verein Miteinander leben e.V. im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ seit 2016 betreibt. Während diese Arbeit schwerpunktmäßig in Schulen der Region stattfindet, in Form von Unterrichtsentwicklungen zu aktuellen Phänomen des Antisemitismus, werden parallel auch unterschiedliche Möglichkeiten und Formate gesucht, Begegnungen mit jüdischen Leben im gesellschaftlichen Kontext zu ermöglichen, mit Angeboten, die möglichst niederschwellig, einladend und nah bei den Menschen sind. In diesem Sinne bietet sich am 01. März um 19:00 Uhr eine solche Möglichkeit in Mustin, im Rahmen einer Theateraufführung in der Maria-Magdalenen-Kirche. Angela W. Röders wird dort mit dem sehr eingängigen Stück „Rose“ von Martin Sherman gastieren, und eine Begegnung mit jüdischen Leben in ganz vielen Facetten ermöglichen, die an Aktualität kaum zu überbieten ist.

Rose

Rose ist die Lebensgeschichte einer Jüdin im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert, die Geschichte einer Frau, die Witz, Humor, Weisheit, Geist, Gefühl und Lebenskraft in sich vereinigt. Rose erzählt vom Untergang der jiddischen Kultur, von der Kluft zwischen liberalen und orthodoxen Israelis und von der Entfremdung zwischen Israelis und Juden aus der Diaspora in der „Alten Welt“. Rose überlebt als einzige in ihrer Familie den Holocaust und nimmt in Amerika tatkräftig am wirtschaftlichen Aufschwung teil. Doch ihr Sohn Abbie wandert nach Israel aus, und ausgerechnet sein Sohn wird eines Tages unter dem Einfluss ultraorthodoxer Siedler ein Palästinenser-Mädchen erschießen, für das Rose Shivá sitzt. Hier schließt sich der Kreis des Verstehens zwischen früher und aktueller Geschichte. Rose fragt nicht nach Religion, Kultur, nach Bildung und sozialer Herkunft, für sie zählt nur der Mensch und sein Recht auf Würde. Sie fordert nicht den Hass und die Vergeltung, sondern fördert die Liebe in jedem von uns.

Der Hamburger Schauspielerin Angela W. Röders liegt gerade dieses Solostück ob seiner Aussagekraft und seiner eindringlichen Botschaft sehr am Herzen und sie hat sofort begeistert zugesagt, es auch einmal im ländlichen Raum, in der besonderen Atmosphäre einer alten Dorfkirche aufzuführen. Ein Mustiner Freundeskreis hatte diese Idee aufgeworfen und den Kontakt zum Verein Miteinander leben e.V. gesucht, ob dieser im Rahmen des Projektes „ZUGÄNGE SCHAFFEN“ eine solche Aufführung unterstützen könnte. „Wir sind sehr dankbar über diese Initiative, liegt sie doch genau im Fokus unserer Arbeitsgruppe „Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft“ und ihres präventiven Konzeptes „Begegnungen und Austausch mit jüdischem Leben schaffen. Von daher unterstützen wir sehr gern und freuen uns auch auf ein ungewöhnliches Theaterereignis an einem ungewöhnlichen Ort“, sagte Mark Sauer, Vorsitzender des Vereins Miteinander leben e.V..
Der Eintritt zur Aufführung ist kostenlos.


"Jiddische Lieder"

Liederabend und offenes Singen mit Rabbiner Harety
06.02.18 in Rokokosaal des Kreismuseums Ratzeburg

Jiddische Lieder Plakat

Die verbindende Kraft von Musik, entfaltet sich vor allem, wenn man nicht nur zuhört, sondern auch zusammen singt. Diese Erfahrung hat Rabbiner Dr. Yakov Yosef Harety schon häufig gemacht, wenn er in seiner jüdischer Gemeinde in Wolfsburg zum Singen jiddischer Lieder einlädt. In seiner weiteren Zuständigkeit als Lübecker Rabbiner möchte er diese Möglichkeit auch im Norden etablieren und hat dazu im Verein Miteinander leben e.V. einen bereitwilligen Partner gefunden.

Ein erster jiddischer Liederabend wurde im vergangenen Jahr im Rokokosaal des Kreismuseums in Ratzeburg durchgeführt, begleitet am Flügel durch Christina Meier und mit großem Zuspruch eines sehr sangesfreudigen Publikums. Rabbiner Harety versprach daraufhin, bald wieder zu kommen, auch mit neuen Liedern im Gepäck, ein Versprechen, das er am 06. Februar 2018 um 19:00 Uhr am gleichen Ort einhalten möchte. Erneut kostenfrei und offen für alle, die neugierig sind.

Rabbiner Harety wird wieder durch die Lieder führen und sie erklären. Mitsingen können alle, auch wenn jiddisch zunächst unbekannt erscheinen mag. Die ausgewählten Lieder machen es jedoch sehr leicht, sich einzufinden, um dann doch überrascht zu sein, wie geläufig jiddisch zuweilen klingt, gerade wenn es gesungen wird.

Jiddische Lieder

"Wir freuen uns sehr auf den zweiten Liederabend mit Rabbiner Dr. Yakov Yosef Harety und Christina Meier und auf viele Menschen, die gerne mitsingen wollen. Für unser Bundesmodellprojekt "ZUGÄNGE SCHAFFEN", das sich mit dem Thema "Antisemitismus heute" befasst, sind solch begegnungsstiftenden Veranstaltungen mit jüdischem Leben sehr wichtig. Denn wo es sonst kaum Möglichkeit gibt, mit Jüdinnen und Juden ins Gespräch zu kommen, können sich antisemitische Tendenzen besonders unwidersprochen verbreiten", sagt Mark Sauer vom Verein Miteinander leben e.V., verbunden mit dem Hinweis, dass Rabbiner Harety sich über viele Fragen und Gespräche nach dem Konzert sehr freuen würde.

Der jiddische Liederabend ist eine Kooperationsveranstaltung mit dem Folk-Club Herzogtum Lauenburg und wird gefördert vom Bundesprogramm "Demokratie leben!" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.